Menu
Start > Aktuelles > Nachricht

Aktuelles

News & Berichte

zum Vergrößern / Blättern ins Bild klicken

Frauen sind am meisten benachteiligt, aber die Stützen der Gesellschaft

Es waren keine einfachen Umstände, unter denen Kathrin Seyfahrt (mit Lebensgefährte Ralf Henning) und Udo Brozio (mit Ehefrau Inge) Mitte Februar Burkina Faso bereisten. Die Terror- und Minengefahr in allen Teilen des Landes machte ein Vorausdringen über die Grenzen der Hauptstadt Ouagadougou hinaus viel zu gefährlich. Und so kamen die Hilfsprojekt eben zu ihnen. Und wenn es bedeutete, dass 52 Frauen auf einem offenen Viehwagen herbeikamen, um für sie einen Markt aufzubauen, auf dem sie ihre Webstühle, die Solartrocknungsgeräte für Gemüse und die Erdnussschälmaschine präsentierten. Von der Corona-Krise in ihrem jetzigen Ausmaß war da noch nichts zu ahnen. Wir haben mit den Cuxhavenern über den Besuch gesprochen, der dazu diente, sich über
die laufenden Hilfsprojekte des von Kathrin Seyfahrt gegründeten Vereins "Wunschträume – Netzwerk für Frauen- und Mädchenprojekt e.V." zu informieren.

Frau Seyfahrt, wie ist es zur Gründung Ihres Netzwerks für Frauen- und Mädchenarbeit gekommen?

Vor 22 Jahren habe ich eine Sendung für den Bayerischen Rundfunk zum Thema "Wohlstandshunger/Armutshunger" gemacht und dabei Essstörungen und Armut am Beispiel Äthiopien gegenübergestellt. In Äthiopien habe ich Karlheinz Böhm in eines seiner Projekte begleitet. Plötzlich saß auch ich in einer Hütte der Armen und spürte, wie anders es ist, wenn man Afrika nicht im TV, sondern live erlebt: mit Hitze, Staub, allen Gerüchen, Lärm…Die Arbeit von Karlheinz Böhm und seiner Stiftung "Menschen für Menschen" überzeugte mich sofort. Ich spürte den Wunsch, selbst etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Am 12. September 2003 war es so weit. Zusammen mit sechs Mitstreiterinnen gründete ich den gemeinnützigen Verein in München.
"Wunschträume" deshalb, weil bei meinen Interviews in Afrika insbesondere Mädchen und Frauen von ihren Wünschen und Träumen sprachen. Sauberes Wasser, Schulbesuch, ein paar Schuhe ... Und "Netzwerk", weil ich als Journalistin eine Chance darin sah, Menschen hier bei uns auch von kleinen und kleinsten Projekten zu berichten, in denen so viel wertvolle Arbeit geleistet wird. Im Laufe der Jahre ist mein Netzwerk immens gewachsen. So konnten wir viele Wunschträume, insbesondere in Burkina Faso, erfüllen.

Viele Menschen sagen: warum soll ich ins Ausland spenden; es gibt hier doch auch genug Armut. Warum ist der Blick über die Grenzen wichtig?

Auch hier gibt es viel Armut. Dennoch leben wir in einem reichen Land, in dem auch für arme Menschen in vielfacher Hinsicht gesorgt wird. Jeder hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Niemand muss auf der Straße leben. All das ist in vielen Ländern, nicht gegeben. Ich denke, es ist einfach wichtig, ab und zu über Grenzen hinauszuschauen.

Udo Brozio: Wenn wir als Shanty-Chor berichten, wofür wir singen, hören die meisten sehr interessiert zu und fragen dann: "Wo kann ich spenden?" Den Menschen ist es am wichtigsten, zu wissen, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird.

Sie haben aber auch den Bogen nach Deutschland geschlagen und unterstützen auch hier Projekte, auch in Cuxhaven ...

Mein Verein unterstützt seit 13 Jahren eine internationale Frauengruppe in München. Mit meinem Umzug nach Cuxhaven war es mir ein Anliegen, auch hier ein Projekt zu unterstützen. Ich lernte Anita Hanel und die Arbeit ihrer Hanel-Seniorenstiftung kennen. Das überzeugte mich, und bald auch meine Mitstreiter/innen in München. Seit Sommer 2019 unterstützen wir nun auch in Cuxhaven ein Projekt.

Nach Afrika. Welche Eindrücke haben Sie von Ihrem aktuellen Besuch mitgenommen?

Es war wieder eine Begegnung mit unseren lokalen Projektleitern (sonst war ich in der Regel ein- bis zweimal pro Jahr in Burkina Faso). Im vergangenen Jahr konnten wir aufgrund der Sicherheitslage gar nicht reisen. Auch jetzt barg die Reise Risiken, doch sie war sicher und unendlich wichtig. Ich konnte mich überzeugen, wie wunderbar die Arbeit in all unseren Projekten trotz aller Widrigkeiten weitergegangen ist. Wir konnten nur die Projekte in der Hauptstadt besuchen, aber aus den Dörfern Youba, Sananga und Pétessiro kamen uns Delegationen entgegen gereist und haben berichtet.

Udo Brozio: Die Menschen waren unglaublich freundlich und dankbar, dass wir überhaupt gekommen sind. Als die Damen für uns einen Markt aufbauten und uns ihre Produkte präsentierten, kam die Rede darauf, dass ihnen ihr Dorfesel gestorben war. Ich brachte in Erfahrung, was ein Esel denn dort kostet: 100 Euro. Den habe ich dann gestiftet mit der Bedingung, dass er "Udo" heißen muss (lacht). Das ist nun auch so, nur, dass er – französisch ausgesprochen – "Üdo" genannt wird.

Was hat sich gegenüber dem letzten Besuch verändert?

Ich konnte mich überzeugen, wie eigenverantwortlich die Menschen trotz stetiger Verschlechterung der Lage und zunehmender Überfälle – gerade im Norden – die Projekte weiter vorangebracht haben. Not macht erfinderisch. Die Menschen versuchen, sich gegenseitig zu helfen und zu stärken.

Welche Projekte haben Sie diesmal besucht?

In Ouagadougou haben wir in erster Linie den Schulkomplex Wend Raabo besucht. 1200 Schülerinnen und Schüler (53 Prozent Mädchen) besuchen die Grund- und höhere Schule, den Kindergarten, das Ausbildungszentrum für Mädchen. Dann die rund um die Uhr geöffnete Krankenstation auf dem Schulgelände. Alles – das ganze Gelände – war in proper sauberem Zustand. Der große Wunsch des Leiters der Krankenstation ist eine Solar-Installation, denn Strom fällt immer wieder aus und Strom kostet immens viel.

Die Frauen aus den Dörfern Youba und Sananga haben ihre Produkte – Webstoffe, Seifen und Cremes, Gemüse (verarbeitet / getrocknet), Töpferware, Erdnusserzeugnisse – mitgebracht und wunderbar präsentiert. Wir haben die Projekte von Projektleiterin Rakieta Poyga besucht: das gynäkologische Zentrum, in dem kostenlos junge Mädchen und Frauen beraten und untersucht werden. Die Zemstaaba-Gartenfrauen in ihrem wunderbar funktionierenden Gemüse- und Salatanbau. Die als sogenannte "Hexen" verbannten Frauen. Wir haben die Schule von Tasseré Derra besucht, die in einem sehr armen Stadtteil der Hauptstadt Ouagadougou inzwischen von 1100 Kindern besucht wird.

Wir haben ein intensives Gespräch mit der Delegation aus dem Dorf Pétessiro im stark gefährdeten Nordwesten des Landes geführt. Noch war/ist es in dem 3000-Seelen-Dorf friedlich. Die Krankenstation ist noch geöffnet, die Schule geschlossen. Alle wertvollen Dinge (Webstühle, Gerätschaften zur Seifenproduktion, zur Imkerei...) hat man in Sicherheit gebracht; alle Hinweisschilder auf die Unterstützer, auch uns, vorsichtshalber demontiert. Im Waisenhaus des Vereins "Ampo" (Gründerin: Katrin Rohde) hat Udo Brozio 75 Kindern Lieder aus der Seefahrt erklärt und mit ihnen gesungen.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen in Burkina Faso?

Neben unbedingt notwendiger Fortsetzung all unserer Projekte, vor allem auch im Brunnenbau und im Bau von Schulräumen, muss der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung und gegen Minderjährigen Minderjährigen-Verheiratung fortgeführt werden, dazu kommt jetzt auch der Kampf gegen Corona.

Was wissen Sie über die dortige Lage?

Die meisten Städte stehen unter Quarantäne, alle Schulen und öffentlichen Einrichtungen sind geschlossen, von 19 bis 5 Uhr ist Ausgangssperre. Gebraucht werden Seife, Desinfektionsmittel, Einweg-Handschuhe, Masken.

Udo Brozio: Städte sehen nicht aus wie hier, es gibt nicht ein einziges Hochhaus. Ein Großteil der Menschen lebt auf der Straße, alles findet draußen statt, der Verkauf aller Waren, alle Dienstleistungen. Und dabei ist alles heiß und staubig. Das sind schon so schlechte Lebensbedingungen.

Warum verdienen Frauen und Mädchen besondere Förderung?

Sie sind am meisten benachteiligt, gleichzeitig aber die Stützen der Gesellschaft. Frauen drängen darauf, an Alphabetisierungskursen teilnehmen zu können. Das haben wir sicher schon 600 Frauen ermöglicht. Sie wollen lesen und schreiben, um teilzuhaben und sich breit gefächert informieren zu können. Die Frauen möchten eine Ausbildung machen, beitragen zum Familienunterhalt. Und: sie wollen ihre Rechte einfordern. Je mehr sie lernen und wissen, umso besser können sie ihre Töchter auf das Leben vorbereiten und sie vor Beschneidung, Zwangsverheiratung und Gewalt beschützen.

Worin liegt für uns aus dem reicheren Teil der Erde unsere Verantwortung?

Zunächst muss der Hunger bekämpft werden, denn wie heißt es richtig: "Ein leerer Bauch studiert nicht gern." Mangelernährung und das Fehlen von sauberem Wasser verbreiten Krankheiten. Also: Brunnenbau. Dafür sammeln wir gerade. Dann müssen wir den Menschen zu Bildung und Ausbildung verhelfen, ihnen Wissen und Kenntnisse vermitteln, damit sie Perspektiven haben und in ihrem Land (ihren Ländern) bleiben können. Niemand wird sich freiwillig auf die Flucht begeben, wenn er oder sie im eigenen Land eine gute Aussicht für seine und ihre Zukunft hat.

www.netzwerk-wunschtraeume.de

Cuxhavener Nachrichten | Maren Reese-Winne | 04.04.2020

zurück

Tide heute

Hochwasser:
05:46 h |  18:23 h

Cuxhaven Tide

Niedrigwasser:
00:10 h |  12:38 h

Cuxhaven Tide

Mondphase

aktuelle Mondphase

abnehmender Mond
Beleuchtung: 53%

Sonne

Sonnenaufgang: 07:49 h
Sonnenuntergang: 18:33 h