Im Cuxland wird es allmählich still: Gesangsvereine sind überaltert und finden kaum Nachwuchs.
Sie sind die Aushängeschilder des Nordens. Die Shanty-Chöre der Region werden auf Volksfesten, Märkten und maritimen Abenden fast wie Popstars gefeiert. Und doch gibt es ein großes Problem: Der Nachwuchs fehlt, das Durchschnittsalter liegt bei 70. Wenn die Chöre keine Verstärkung finden, könnte das seemännische Kulturgut bald ganz verschwinden. Der Shantyman und Vorsänger singt mit seiner höchsten Fistelstimme den Refrain. Die Schiffscrew antwortet in tiefem Bass und zieht dabei mit einem Ruck am Tau. So wird der Shanty- und Arbeitsgesang an Bord eines Großseglers auf dem Roten Meer im Jahr 1878 beschrieben. "Ein Lied ist wie zehn Mann am Tau", hieß es damals.
Heute werden Shantys kaum noch an Bord gesungen. Vielmehr treten die Chöre bei Hafenfesten, Gala-Abenden, Frühschoppen und Shanty-Treffen auf. Der maritime Männergesang kommt sowohl bei Urlaubsgästen als auch bei Cuxland-Bewohnern gut an. Dennoch funken die Shanty-Chöre SOS: Die Sängerkreise sind überaltert und finden kaum Nachwuchs. "Der Altersdurchschnitt bei uns beträgt 70,4 Jahre", sagt Gerd Drewes, Leiter des Hemmoorer Shanty-Chores. Es sei sehr schwierig, an junge Sänger heranzukommen: "Junge Leute haben eine andere Auffassung von maritimer Musik. Sie hören eine ganz andere Musikrichtung."
Beim Shanty-Chor Cuxhaven, dem Flaggschiff des traditionellen Shanty-Gesangs im Norden, sieht es nicht besser aus: "Wir haben seit Jahren Nachwuchsprobleme. Die Jüngsten sind 40 und 53 Jahre alt", berichtet Chor-Sprecher Peter Mordhorst. Der Altersdurchschnitt im Chor liege bei 69 Jahren. Die Cuxhavener Shanty-Sänger unter der musikalischen Leitung von Udo Brozio versuchen mit einem Repertoire, das auch jüngere Menschen anspricht, gegenzusteuern – Stücke von Achim Reichel, den Beach Boys, Sting und Bruce Springsteen gehören seit einigen Jahren zum Programm. "Die Shanty-Chöre, deren Repertoire nur aus "Hamburger Veermaster" und Reeperbahn-Liedern besteht, haben in der heutigen Zeit schon verloren", meint Mordhorst. Die Gruppe Santiano zeige, dass man mit maritimer Musik durchaus erfolgreich sein kann.
Die Nordseeküste ohne Shantys und Seemannsgesang – für Detlef Deuber, Vorsitzender des Otterndorfer Shantychores, wäre das schlicht undenkbar. Doch auch er macht sich Sorgen um die Zukunft seines Chors: "Der Altersdurchschnitt liegt bei 73. Immerhin: Unser Jüngster ist 19." Mit Flyern und flotten Durchsagen bei den Konzerten versuchen die Otterndorfer Nachwuchs zu gewinnen. Jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. "Wenn sich nichts ändert, wird es unseren Chor in zehn Jahren nicht mehr geben", klagt Deuber.
Nachwuchssorgen sind auch bei den Cuxhavener "Seemöwen" das Thema Nummer eins. "Wir haben mehr als doppelt so viele Abgänge wie Neuzugänge – durch Altersbeschwerden und Todesfälle", sagt Hildegard Volk, Vorsitzende des Damen-Shanty-Chors, dessen Altersdurchschnitt bei 71 liegt.
Wird der Shanty also bald komplett aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden? "Solch ein Szenario muss verhindert werden", sagt Gerd Drewes. "Wir brauchen neue Impulse, um dieses Kulturgut am Leben zu erhalten. Hierfür müssen die Chöre ein gemeinsames Konzept erarbeiten."
Cuxhavener Nachrichten | Jens-Christian Mangels | 07.05.2019
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