Tiefe Männerstimmen, die voller Inbrunst über das harte Leben auf See singen. Über die Liebe und das Gefühl, in seinen Heimathafen zurückzukehren. Mal auf Englisch, mal auf Deutsch. Die Shanty-Chöre aus Otterndorf und Cuxhaven halten die maritime Tradition aufrecht und prägen unseren Heimatbegriff auf ganz besondere Art und Weise.
Rauschendes Meer, kreischende Möwen, die umherfliegen und der Wind, der durch den Hafen pfeift. Inmitten stehen kernige Männer mit Fischerhemd, Bärten und Elbsegler. Nichts kann ihnen etwas anhaben, denn sie haben sich und ihre Lieder. Ja, ein wenig Romantik schwingt bei dieser Vorstellung mit. Und das, obwohl Shantys und Seemannslieder schon seit vielen Jahren nicht mehr dort gesungen werden, wo sie ihren Ursprung haben. Auf der hohen See. Was einst Seemänner und Matrosen bei der harten Arbeit auf See unterstützen sollte, dient heute in erster Linie der Unterhaltung von Touristen und Einheimischen. Dafür sorgen die Shanty-Chöre aus Otterndorf und Cuxhaven mit ihren vielen Auftritten. Immer im Gepäck haben sie ein breites Repertoire an Liedern. Mal sind sie humorvoll, mal tiefsinnig und manchmal auch richtig romantisch.
"Ein guter Auftritt ist wie ein Gewinn im Lotto", schwärmt Detlef Deuber, Vorsitzender des Shanty-Chors Otterndorf. Mit 187 Jahren auf dem Buckel ist er übrigens
der älteste Shanty-Chor Deutschlands. Neben der Tradition sei es aber vor allem die Kameradschaft, die den Chor ausmache. "Hier steht jeder für jeden ein", so Deuber. Einmal pro Woche treffen sich die Musiker in der Otterndorfer Grundschule und proben. 28 Sänger, zwei Akkordeonspielerinnen, zwei Gitarristen. Und etwas flüssige Verpflegung. Jeder hat seine Liedermappe dabei. Doch wenn Dirigentin Erika Willenbrink den Ton anstimmt, dann brauchen sie die nicht mehr. "Dann legt sich ein Schalter um. Die Lieder sind in Fleisch und Blut übergegangen", sagt Deuber.
Klänge, die berühren
Schon fast ein wenig Gänsehaut kann man bekommen, wenn die tiefen Männerstimmen plötzlich loslegen. Mit voller Wucht treffen sie einen und machen etwas mit einem. Etwas Gutes, das unter die Haut geht. "Menschen, die fröhlich zu leben verstehen, das macht den Norden so schön", heißt es in einem der Lieder, die sie an diesem Tag proben. Und das trifft den Kern, obwohl viele Mitglieder des Shanty-Chors Otterndorf gar nicht aus dem Cuxland stammen. Essen, Duisburg, Sauerland, Berlin. Sie sind eine bunte Truppe, die zeigt: Heimat ist nicht nur da, wo man geboren ist, sondern da, wo man lebt und wo Freunde und Familie sind.
Ähnlich ist es beim Shanty-Chor Cuxhaven, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Viele Mitglieder kommen aus Cuxhaven, einige andere zum Beispiel aus dem Sauerland. Einen Unterschied macht das aber nicht. Denn: Sie alle eint die Liebe zur Musik und zur Aufrechterhaltung der maritimen Tradition. "Unsere Musik stärkt die Heimat. Cuxhaven gilt als Sehnsuchtsort und das untermalen wir", sagt Jan Bühner, 1. Vorsitzender des Shanty-Chors Cuxhaven. Geprobt wird einmal die Woche im "Heimathafen", der Shanty-Messe direkt im Alten Fischereihafen. Eine wahre maritime Perle, die von innen fast einem kleinen Museum gleicht. Fotos, Auszeichnungen, Erinnerungen. Die Wände und Decken hängen voll. Eine Bar gibt es auch. Logisch, denn eine trockene Kehle kann beim Singen schließlich niemand gebrauchen.
Die Gemeinschaft zählt "Bei unseren Proben sind alle dabei, wir haben ein starkes Gemeinschaftsgefühl", freut sich Chorleiter Udo Brozio. Er selbst spielt Akkordeon und ist immer dran, das Repertoire zu erweitern. "Wir versuchen, uns vom typischen Seemannssingsang abzusetzen." Deswegen kann auch mal ein Lied von Bruce Springsteen oder den Beach Boys dabei sein. Dennoch: "Es liegt uns am Herzen, die Tradition der Shantys, der Arbeiterlieder, aufrechtzuerhalten. So bleiben die Lieder am Leben", so Brozio. Jan Bühner findet einen weiteren Punkt wichtig: "Wenn wir auf der Bühne stehen, dann singen wir von der Heimat. Einer weltoffenen Heimat."
Cuxhavener Nachrichten | Jara Tiedemann | 20.06.2018
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